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Juggerbeitrag im “Neuen Deutschland”

Das “Neue Deutschland” hat einen Artikel über unseren schönen Sport veröffentlicht.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/943319.chance-fuers-zweite-ich.html

Der Autor René Gralla hat mir die Möglichkeit gegeben, den gesamten Beitrag mit dem kompletten Interview hier zu veröffentlichen.
Viel Spass damit.

Gerade bekam ich die Info, dass der Beitrag in voller Länge im Rund-Magazin erschienen ist:

http://rund-magazin.de/news/1329/76/Interview-Jugger/

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“DAS ANDERE ICH RAUSLASSEN”
Eine Endzeitvision dient als Vorbild: Leitmotiv der australischen Produktion “Die Jugger – Kampf der Besten”, die 1989 in die Kinos kam, ist ein Rugby-ähnliches Kräftemessen, zu dem Profis antreten auf einem Planeten, den ein Atomkrieg verwüstet hat. Das Spiel aus dem Film ist vier Jahre später während einer Liverollenspiel-Convention in Deutschland ausprobiert worden, und daraus hat sich zuerst in der Republik und in der Folge weltweit, von Irland bis Australien, ein echter Sport mit Ligabetrieb und internationalen Turnieren entwickelt. Der angehende Verwaltungsangestellte Erik Klein aus der holsteinischen Gemeinde Rethwisch bei Bad Oldesloe hat sich der Jugger-Abteilung angeschlossen, die zum örtlichen Sportverein gehört. Dem Hamburger Autor René Gralla berichtet der 20-jährige, was ihn antreibt in seinem Team, das den verheißungsvollen Namen “Kamikaze Eulen” trägt.
RENÉ GRALLA: Haben Sie den Film “Die Jugger” mal gesehen?
ERIK KLEIN: Ja, aber ich finde die Produktion recht mittelmäßig, und die Handlung ist ziemlich brutal.
RG: Und trotzdem haben Sie sich für diesen Sport entschieden.
E.KLEIN: Was wir auf dem Platz machen, ist überhaupt nicht brutal. Für Außenstehende mag das zunächst etwas heftig aussehen, aber unsere Waffen sind außen dick gepolstert, da kann nicht viel mehr passieren als beim Fußball, höchstens mal ein umgeknickter Fuß. Und kriegst du einen Schlag auf den Kopf, ist das eben auch nicht anders als im Fußball, wenn dich ein Schuß am Schädel trifft. 
RG: Vom Prinzip her ist Jugger eine Art Rugby, bloß das nicht um einen Ball gekämpft wird, sondern um einen nachgebildeten Hundeschädel aus Kautschuk. Warum haben Sie sich dann nicht für das Original entschieden?
E.KLEIN: Das war eher Zufall. Ein Freund hat mich mal zum Juggertraining mitgenommen, und das hat mir gleich Spaß gemacht. Also bin ich dabei geblieben, obwohl ich auch Rugby interessant finde.
RG: Was begeistert Sie am Jugger?
E.KLEIN: Vor allem die tollen Freunde in meinem Team, aber auch die super netten anderen Sportler, die ich auf Turnieren treffe. Nach Wettkämpfen sitzen wir abends immer zusammen, das ist eine große Gemeinschaft. In die neue Leute sofort gut aufgenommen werden.
RG: Klingt ziemlich harmonisch. Wie passt das zu diesem Spiel, bei dem man sich aggressiv durchsetzen muss, und obendrein noch mit imitierten Waffen, auch wenn die gepolstert sein mögen?!
E.KLEIN: Die meisten können den Schalter umlegen, auf dem Platz hart vorgehen und hinterher total gechillt sein. Und die wenigen Ausnahmen, die das nicht schaffen und daueraggressiv sind, die haben entsprechend Probleme, in der Community akzeptiert zu werden. Weil zu unserem Sport eine bestimmte Haltung gehört: fair beim Spiel und freundlich nach dem Match.
RG: Wie reagieren Zuschauer, wenn Sie mit allerlei Gerätschaften, vom langen Stab bis zur Kette, aufeinander eindreschen?
E.KLEIN: Bei uns in Rethwisch sind wir mittlerweile bekannt, das ist ja auch ein Dorf mit gerade mal rund 1000 Einwohnern, hier wundert sich niemand mehr. Anders sieht es in Berlin aus, wo wir oft Punktspiele austragen auf dem Tempelhofer Feld. Viele Passanten bleiben dann stehen und schauen erst einmal verblüfft. Wobei die Reaktionen durchmischt sind: Kinder und Jugendliche sind in der Regel begeistert, während Ältere eher skeptisch sind.
RG: Nervt Sie die Ablehnung, die Sie entsprechend manchmal spüren?
E.KLEIN: Das ist schon okay, jeder hat halt seine eigene Meinung. Allerdings finde ich es nicht so toll, dass einige Menschen einfach sagen, das kenne ich nicht, das ist mir zu blöd, und das will ich auch nicht kennenlernen. Deswegen hoffe ich, dass unser Sport weiter wächst und die Akzeptanz dafür zunimmt in der Gesellschaft. Wie zum Beispiel in Spanien, dort gibt es inzwischen viele neue Fans.
RG: Welchen Part übernehmen Sie auf dem Feld? Sind Sie ein Läufer, der den bereits erwähnten Hundeschädel im gegnerischen Mal platzieren will?
E.KLEIN: Am Anfang habe ich das gemacht. Jetzt aber gehöre ich zu den Kämpfern, die versuchen, ihren Läufer zum Tor durchzubringen. Dabei setze ich dann eine Kette ein, das ist meine Waffe.
RG: Und wie schaffen Sie den Durchbruch? Mit der Hau-drauf-Methode?
E.KLEIN: Ohne Strategie geht das nicht. Ich versuche, Lücken in der gegnerischen Verteidigung zu finden und auszunutzen. Während der Rest der Mannschaft auf dem anderen Flügel angreift, um dem Läufer Platz zu schaffen für ein Umgehungsmanöver.
RG: Müssen Neueinsteiger besondere Fähigkeiten für diesen Sport mitbringen?
E.KLEIN: Eigentlich kann jeder Jugger spielen. Auch Leute, die ein bisschen korpulent sind, kriegen eine Chance, die sind nämlich oft gut an der Kette.
RG: Auf jeden Fall scheint Jugger ein Jungensding zu sein.
E.KLEIN: Nein, immer mehr Mädchen und Frauen steigen bei Jugger ein. Die machen gleichberechtigt mit, in entsprechend gemischten Teams. Und einige Frauen sind viel besser als der überwiegende Teil der männlichen Konkurrenz.
RG: Kann die steigende Frauenquote auch das Image von Jugger verbessern?
E.KLEIN: Auf jeden Fall. Nehmen Sie doch unser Jugendteam beim VfL Rethwisch, das besteht zu 50 Prozent aus Mädchen, und das kommt natürlich viel besser rüber, als wenn bloß bärtige Typen auflaufen. 
RG: Was ist der größte Moment während einer Partie?
E.KLEIN: Sobald ich die gegnerische Verteidigung durchbrochen und von hinten ausschalten kann, das ist immer wieder schön.
RG: Neben Ihrer Juggerkarriere absolvieren Sie gerade eine Ausbildung zum VerwaltungsfachangestelltenEin krasser Gegensatz: einerseits trockene Administration, andererseits schwingen Sie auf dem Sportplatz wild die Kette. Leben Sie beim Jugger Ihr zweites Ich aus? 
E.KLEIN: Ich glaube ja.
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MIT “STEINEN” WIRD DIE AUSZEIT GEMESSEN 
Zwei Teams aus fünf Spielern auf einem 20-mal-40-Meter großen Platz versuchen, einen künstlichen Hundeschädel, der “Jugg” heißt, so oft wie möglich im Mal des Gegners zu platzieren. Der Zielpunkt ist ein Kegelstumpf mit Loch an der Oberseite, und dort muss der Schädel rein.
Den Jugg darf im Team nur ein Spieler berühren, der unbewaffnete Läufer. Der kann seinen Widerpart nach den Regeln des griechisch-römischen Ringens zu stoppen versuchen. Erlaubte Techniken sind Stoßen, Greifen, Festhalten und Zu-Boden-Zwingen. Die übrigen Spieler sind ausgerüstet mit gepolsterten Sportgeräten, die “Pompfen” genannt werden, das sind Stäbe unterschiedlicher Länge und pro Mannschaft eine Kette aus Plastik mit Schaumstoffball am Ende. Die Kämpfer sollen dem eigenen Läufer den Weg zum Mal bahnen und gleichzeitig Konteraktionen abwehren.
Fängt sich jemand einen Pompfentreffer ein, ist eine Auszeit fällig. Die Sperre wird gemessen in der Zeiteinheit “Stein”, weil im Film, der das Spiel inspiriert hat, zu diesem Zweck Steine an einen Gong geworfen wurden. In der Realität des Juggersports ist die archaische Methode durch Trommelschläge ersetzt worden. Ein “Stein” steht für 1,5 Sekunden; die Standardauszeit beträgt fünf Steine (und nach dem Kontakt mit einer Kette drei Steine mehr). -gra

Lester Balz

Ich habe 1992 mit Jugger begonnen. Mein Ziel: Jugger zu einem Volkssport zu machen.

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