Liebe Jugger,
ich möchte hiermit meine Meinung zur Entwicklung der Pompfen und des Equipments zum besten geben, da in den letzten Jahren einige in meinen Augen nicht nachvollziehbare Dinge diesbezüglich geschehen sind.
Ich habe das Juggern massgeblich mitentwickelt und behaupte, daß es das Juggern in der heutigen Form nicht geben würde, wenn ich nicht tausende Arbeitsstunden und sehr viel Herzblut in die Entwicklung dieser schönen Sportart gesteckt hätte.
Seit 2008 betreibe ich den Pompfenshop und habe bisher über 6000 Pompfen gebaut. Die folgenden Kommentare sind also aus der Sicht eines erfahrenen Juggers und Pompfenbauers.
Früher war die oberste Prämisse die Sicherheit der Spieler und die Ausgewogenheit der Pompfen untereinander. So wurde z. B. fest gelegt, daß ein Pompfenpolster mindestens 2,5cm dick sein muss und man bei festem Daumendruck den Kern nicht spühren darf.
Dies führte zu Kurzpompfen, die einen 10mm durchmessenden Kernstab hatten und demzufolge keine 6,5cm Gesamt-Durchmesser hatten sondern nur 6cm. Dann wurde die Definition dahingehend geändert, daß alle Pompfen einen Durchmesser von 6,5cm haben müssen. Also mußten die Kernstäbe der Kurzpompfen entsprechend dicker werden. Der einzige Vorteil den das hatte war, daß die Kurzpompfen dadurch einfacher zu bauen waren. Dies aber zum Nachteil des höheren Gewichtes.
Mittlerweile nehme ich wahr, daß die Tendenz immer mehr zum Spielvorteil geht und dabei die Sicherheit hinten angestellt wird.
Dies zeigt sich an der Entwicklung jedes Gramm einzusparen, speziell die ungepolsterten Griffe empfinde ich hier als seltsam, denn es ist nicht viel Aufwand einen Pompfengriff zu polstern und es sind wirklich nur ein paar Gramm die man durch ungepolsterte Griffe einspart. Für mich steht fest, daß ein ungepolsterter Griff, der einen Spieler im Gesicht trifft, weil eine Pompfe auch mal aus der Hand gerissen werden könnte, deutlich mehr Schmerzen verursacht als ein gepolsterter Griff.
Das Gleiche sehe ich bei den Stechspitzen, die früher immer noch mit einer Manschette versehen sein mußten, damit sie nicht zu dünn sind. Dies ist eingeführt worden falls mal jemand einen Stich ins Gesicht bekommt.
All diese Dinge (Stiche ins Gesicht und rumfliegende Pompfen) kommen natürlich nur in Ausnahmefällen vor, aber es war uns früher immer wichtig auch für den sogenannten „worst case“ die höchste Sicherheit zu gewährleisten.
Die Ausgewogenheit der Pompfen ist nicht mehr so gegeben wie früher, da die Regel, das ein Quadratzentimeter eines Fingers den Griff berühren muß, eingeführt wurde. Dies bevorteilt einen Menschen mit großen Händen und langen Fingern. Aussderdem läßt sich das für einen Schiedsrichter nicht mehr kontrollieren.
Wir haben damals die Griffe so fest gelegt, daß alle Spieler (egal wie groß die Hände sind) die selbe Rechweite haben. Mit der eine Fingerkuppe am Griff – Regel liegt das Handgelenk bei groß gewachsenen Spielern weiter hinten als bei Spielern mit kleinen Händen.
Ich habe Kontakt zu anderen Pompfenbauern aufgenommen und die teilten mir mit, das es mittlerweile ein Glücksspiel ist, ob Pompfen durch einen Pompfencheck auf einem Turnier kommen oder nicht.
So kam es vor, daß ein von mir gebauter Kinderstab ausgemustert wurde, weil die Schlagfläche 5mm zu kurz war. Und das obwohl die Reichweite korrekt war. Der Griff war also 5mm zu lang, die Schlagfläche 5mm zu kurz. Dies sollte in meinen Augen niemals ein Grund sein eine Pompfe auszumustern, da diese 5mm keinen Vorteil für den Spieler zu Folge haben.
Wenn die Reichweite 5mm zu lang ist, wäre das für mich ein ganz klarer Ausmusterungsgrund.
Neulich wurde ein Schild von mir ausgemustert weil es zu schwer war. Dies ist ein Kriterium, das nirgends aufgeführt ist und sollte nicht zur Ausmusterung führen.
Ich baue die Schilde seit über 20 Jahren mit Holzkernen auf die selbe Art und Weise. Und jetzt sind diese Schilde zu schwer?
Bei den Schlagflächenpolsterungen geht zur Zeit die Tendenz zur Poolnudel, weg von den Rohrisos, da Poolnudeln ein paar Gramm leichter sind.
Leider sind Poolnudeln nicht so langlebig wie Rohrisos und ich habe den Anspruch meinen Kunden Pompfen zu verkaufen, die mehrere Jahre halten und auf Turnieren zugelasen sind.
Sollten irgendwann einmal nur noch mit Poolnudeln gepolsterte Pompfen auf Turnieren zugelassen sein, wäre das ein großer Rückschritt in Bezug auf die Entwicklung des Juggerns. Ich denke, jeder sollte in der Lage sein Pompfen zu bauen, die auf Turnieren zugelassen sind. Da Rohrisos sehr lange gut waren sollten sie auch weiterhin gut sein. Ausserdem sind Poolnudeln mit einem pasenden Loch in der Mitte schwer zu bekommen, während Rohrisos in jedem Baumarkt erhältlich sind.
Generell wundert es mich, daß Dinge, die seit 20 Jahren gut funktionierten jetzt nicht mehr gut genug sein sollen.
So wurden die Platzierfelder z.B. vor ein paar Jahren auf eine Höhe von 20cm fest gelegt.
Über 20 Jahre waren alle Platzierfelder, die ich gebaut habe 15cm hoch und sie waren perfekt. Jetzt sind diese Platzierfelder nicht mehr zugelassen. Mir ist nicht klar warum man nicht festlegen kann, daß Platzierfelder 15 – 20 cm hoch sein dürfen. Warum diese Rigorosität und das Verbieten von alt bewährtem? Zumal 20cm hohe Platzierfelder eine größere Stolperfalle sind und man viel mehr Material im Bau dafür braucht, sie dadurch also teurer im Verkauf sind.
Das Gleiche gilt für die Zurrgurt-Ketten, die verboten wurden als die Polyamidschlauch-Ketten eingeführt wurden. Ich hatte nicht ein einziges Mal eine Beschwerde, daß die Zurrgurtketten gefährlich sind und trotzem sind sie jetzt verboten.
Ich halte die Polyamidschlauch-Ketten sogar für gefährlicher da ich dort ein größeres Strangulationsrisiko sehe als bei den Zurrgurt-Ketten.
Ich fänd es richtig gut wenn mehr Toleranz beim Pompfencheck auf Turnieren Einzug halten würde.
Ich würde mich freuen, wenn mir jemand Argumente zu den Änderungen der letzten Jahre und der damit verbundenen Pompfenentwicklung per E-Mail mitteilen würde, vielleicht habe ich ja essentielle Dinge übersehen.
Meine E-Mail-Adresse:
lester@jawaka.net
Liebe Grüße
Lester
Hier eine Antwort auf meinen oben geschriebenen Text:
Moin Lester,
Du hattest dir in deinem Blog Kommentare per email über die Pompfen-Entwicklung der letzten Jahre gewünscht, deswegen schreibe ich dir einfach mal.
Ich spiele selbst seit 2009, bin seitdem viel aktiv auf Turnieren unterwegs, war bis vor kurzem Regelhüter und setze Jugger auch regelmäßig in Form von Workshops und AGs in der Jugendarbeit und an Schulen ein.
In den letzten paar Jahren hat sich denke ich die Bauart der Pompfen sehr stark entwickelt. Aus meiner Sicht größtenteils zum Positiven.
Der Hauptpunkt ist dabei das Gewicht der Pompfen, das durch neue Materialien wie CFK-Kernstäbe oder EPP für Schilde, aber auch die Verwendung von Klarsicht-Tape statt Panzertape deutlich reduziert wurde. Ich stimme dir voll zu, dass das von manchen Menschen zu weit getrieben wird (z.B. keine Polsterung von Grifflächen und Blockflächen, kein ausreichender Durchstichschutz), ganz grundsätzlich ist es aber für mich sehr viel angenehmer und auch sicherer gegen leichtere Pompfen zu spielen, weil man weniger Kraft benötigt und schlicht weniger Masse abbekommt. Das macht Jugger für mich zu einem schnelleren Spiel, bei dem es immer mehr auf Geschicklichkeit als auf Kraft ankommt und das deswegen auch für Kinder und schwächere Menschen leichter zugänglich ist. Für mich eine enorm positive Entwicklung, die ich nicht mehr missen möchte.
Unter diesem Aspekt sehe ich deinen Punkt “was seit 20 Jahren gut war, sollte heute immer noch gut genug sein” teilweise kritisch. Pompfen von vor 20 Jahren waren im Vergleich zu den heutigen Pompfen stumpf gesagt harte, schwere Knüppel, zu denen ich persönlich eigentlich nicht zurück möchte und die ich definitiv als veraltet ansehe. Viele Teams haben davon noch einige in der Garage stehen, aber auf Turnieren hat sich der Standard mittlerweile geändert und das finde ich gut.
Ich möchte außerdem kurz auf einige deiner Kernthemen bezüglich Pompfencheks und Sicherheit eingehen.
Pompfenchecks sind aus meiner Sicht leider in vielen Punkten eine subjektive Angelegenheit, die jeder Turnierausrichter etwas anders auslegt. Das liegt einerseits daran, dass manche Regeln schwammig formuliert sind und unterschiedlich ausgelegt werden können (z.B. “moderater Daumendruck”, Pompfen sollen “sicher” sein), andererseits werden etwa bei festen Maßen unterschiedliche Toleranzen angesetzt. Während auf dem einen Turnier die Meinung vertreten wird, solange die Maxreichweite eingehalten wird, kann man z.B. bei der Maximallänge der Polsterung schon mal bei ein paar mm ein Auge zudrücken, halten sich andere Pompfenchecks sehr genau an die angegebenen Maße. Dass man sich darauf nicht so richtig verlassen kann halte ich auch für ein bestehendes Problem, das immer wieder zu Frust führt, auf der anderen Seite ist es aber denke ich auch wichtig Pompfenchecks zu haben, um eine grundsätzliche Sicherheit der Sportgeräte sicherzustellen.
Ich persönlich bin der Meinung, dass ein bisschen Toleranz bei den meisten Maßen nicht schaden kann (nicht bei der Maxreichweite), die Sicherheit jedoch weiterhin oberstes Gebot sein sollte. Schön ist es immer, wenn Orgas bekannte Kernpunkte im Vorfeld kommunizieren (z.B. “bei uns braucht ihr eine Griffpolsterung für Q-Tips”, “Wir nehmen die Mindestschlagfächenpolsterung sehr genau” oder auch “bei uns sind Holzschilde und sehr schwere Pompfen nicht erwünscht”). Manche machen das, die meisten sind denke ich bezüglich Pompfenchecks nicht so organisiert und lassen eher erfahrene Spieler aus dem Team mit Augenmaß entscheiden.
Es gibt einige Punkte bzgl. Pompfenbau, die sich durch Regelabstimmungen in den letzten Jahren geändert haben. Dazu gehören einheitliche Maße für Juggs und Male, Mindestschlagflächenlängen und Stechspitzen für Stäbe. Das kann man gut finden oder nicht (ich finde auch nicht alle Änderungen gut), entspricht aber dem Wunsch der Community nach Vereinheitlichung der Maße. Im Fall der Stechspitzen und Mindestschlagflächenlängen ist außerdem ein Sicherheitsaspekt relevant gewesen (Es gab Spieler, die angefangen haben, zur Gewichtsersparnis ihre Schlagflächenpolsterungen kürzer zu machen, das war leider doof).
Bzgl. Sicherheit halte ich leichtere Pompfen wie oben bereits beschrieben erstmal grundsätzlich für sinnvoller. Für mich hat sich diese Bauweise jetzt lange genug durchgesetzt, dass auch ich sehr schwere Pompfen auf Turnieren aussortieren würde. (Klar, bei neuen Teams, die vorher wenig Kontakt zur Juggerszene hatten kann man da “pädagogisch” mal ein Auge zudrücken mit dem Verweis, dass sie nächstes Mal bitte leichtere Pompfen mitbringen sollen, wer diese Entwicklung aber mitbekommen hat und sich bewusst dafür entscheidet, trotzdem sehr schwere Pompfen zu bauen, handelt in meinen Augen eher fahrlässig.). Die von dir angesprochenen Mindestumfänge an der Stechspitze, sowie Polyamidschlauchketten stellen in meiner Erfahrung hingegen nicht das von vielen befürchtete Sicherheitsrisiko dar. So lange die Stechspitze weich genug (Spinnakertape+Schaumstoff) und sicher (keine harten Teile bei Komprimierung) ist, ist für mich persönlich nicht unbedingt eine zusätzliche Manschette notwendig, weil ich bisher eigentlich keine wirklich gefährlichen Augentreffer abbekommen oder mitbekommen habe, weswegen ich da eher tolerant bei dem Mindestdurchmesser wäre. Ebenso habe ich noch keine gefährliche Strangulation durch diese Ketten erlebt oder von einer gehört. Ich weiß aber auch nicht genau, was du mit “Zurrgurtketten” meinst. Meinst du die mit diesem flachen Kettenband?
Worauf ich bezüglich Sicherheit sehr große Stücke setze sind 3d gedruckte Stechspitzenkappen. Die verhindern aus meiner Sicht besser als alle mir bekannten vorherigen Bauweisen ein Durchstechen des Kernstabs durch eine Vergrößerung der Fläche, auf der der Schaumstoff aufliegt. Außerdem erleichtern sie den Bau von Pompfen ungemein, da sie die Poolnudel fixieren und man dadurch die Stechspitze nicht mehr kleben muss. Ist etwas kompliziert zu erklären, aber falls du die nicht kennst, würde ich dir nahelegen, die mal auszuprobieren. Wir verwenden in den letzten Jahren nichts anderes mehr. Hier im Forum findest du dazu ein paar Infos, ich bin aber nicht ganz auf dem aktuellen Stand, wie das technisch aussieht, das machen bei uns die 3d-Drucker Cracks aus dem Team.
https://forum.jugger.org/viewtopic.php?t=8913https://forum.jugger.org/viewtopic.php?t=9202
Schilde bauen wir nur noch aus EPP, das ist sehr viel leichter als Holz, sehr stabil und hat keine harten Kanten.
So, ich hoffe du verstehst das nicht als Kritik an dir selbst, ein Paar deiner Punkte konnte ich sehr gut verstehen, bei anderen bin ich halt anderer Meinung. Ich hoffe, ich konnte für dich ein paar Punkte etwas besser beleuchten, wie du dir das gewünscht hattest. Falls du noch Fragen hast, schreib gerne zurück.
Beste Grüße
Pit